
Die Kreuzfahrt sollte eine Überraschung werden, hatten sich Kati und Jörg überlegt. Das wäre doch ein tolles Geschenk für Jörgs Schwester! „Oh nein!“, war Meikes Urteil zu dieser Idee. Bloß keine Kreuzfahrt – Aktivurlaub wäre schon deutlich interessanter gewesen für die Mittvierzigerin. Allerdings nicht in der Variante, die ihrem Bruder vorschwebte: Meike allein unter lauter Singles. „Oh Gott! Horror!“
Singles sind nicht bereit, Kompromisse einzugehen. Das ist eines der zahlreichen Vorurteile, die schnell zur Hand sind. Egoistisch seien sie, ist auch oft zu hören. Und zu anspruchsvoll. „Ein paar Ansprüche zu haben, finde ich nicht egoistisch. Viel schlimmer finde ich Paare, die nur noch zusammen sind, weil es das Leben einfacher macht, die sich dabei aber wahnsinnig auf den Geist gehen. Das kann ich mir nicht vorstellen.“
„Sofort Kinder bekommen ohne Berufspraxis – dann hat man doch nie eine Chance, im Beruf Fuß zu fassen. Man hat eigentlich gar keine Wahl.“
Meike wollte sich nicht abhängig machen, ohne auf eigenen Beinen stehen zu können. Nach einer kaufmännischen Ausbildung studiert sie Kulturwissenschaften, ihr langjähriger Freund wird Jurist. Sie will wieder ins Verlagswesen, aber als sie mit dem Studium fertig ist, sind die Printmedien in der Krise und bauen allerorten Stellen ab. Sie kann sich nicht aussuchen, wohin sie geht, muss nehmen, was sie findet. „Meine oberste Priorität war die Jobsuche, um überhaupt erst mal meine Existenz zu sichern.“ Ihr Liebster hat deutlich mehr Möglichkeiten, ist aber nicht kompromissbereit. Meike wird zur Generation Praktikum, sechs Monate hier, sechs Monate dort. Wenn die festangestellten Kolleginnen und Kollegen am Freitagmittag nach Hause gehen, sitzt Meike noch im Büro. Interessante Tätigkeiten, aber kaum Geld und noch weniger Perspektiven.
Ihr Vorsatz, auf eigenen Beinen stehen zu können, kostet sie die Beziehung. Die Liebe zerbricht. Drei Jahre Praktika und Fortbildung, dann war das Maß voll. „Nie wieder ein Praktikum!“, schwört sich Meike. Zwar findet sie Arbeit, lebt aber weitere zehn Jahren mit befristeten Verträgen. „Es ist doch irgendwie pervers, man hat eigentlich gar keine Wahl. Sofort Kinder bekommen ohne Berufspraxis – dann hat man doch nie eine Chance, im Beruf Fuß zu fassen!“
„Es ist nicht so schwer, jemanden zu finden. Aber man muss sich doch auch wirklich mögen.“
Meike lebt in einer Großstadt, fährt mit ihren Nichten in Urlaub, kümmert sich um die alt werdende Mutter und lernt auch Männer kennen. „Meist lernst Du Menschen über Bekannte oder durch Zufall kennen. Dann findet Dich jemand toll, man trifft sich.“ Manchmal wird mehr daraus, aber die Bekanntschaften sind nicht von Dauer. „Es ist nicht so schwer, jemanden zu finden. Aber wenn ich dann tausend Kompromisse schließen muss, ist das nichts für mich. Nur um einen Partner zu haben? Nein, man muss sich doch auch wirklich mögen!“
Ein fester Arbeitsplatz, eine Eigentumswohnung, ein lebendiges, tragfähiges soziales Netz: Meike hat viel erreicht. Und das alles noch mal auf Kopf stellen, wenn ein passender Mann um die Ecke kommt? „Klar! Das würde ich. Klar würde ich das.“ Nur eine Single-Kreuzfahrt würde sie deshalb noch lange nicht buchen.
Singles immer Mangelwesen? Immer auf der Suche... von Nele am 27. Februar 2014
Singles immer Mangelwesen? Immer auf der Suche nach dem eigentlichen Leben? Die Kirche sagt: “Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei.” Wo sind die Geschichten der Singles, die sich eigentlich rundum glücklich fühlen würden, wenn da nicht ständig Leute wären, die dich bedauern, dich zusammen mit wem richtig Netten (zwinker!) zum Essen einladen oder dich auf Parship aufmerksam machen. Das nervt!
Ach Nele, ist das ehrlich gefühlt... von schnatterinchen am 7. März 2014
Ach Nele, ist das ehrlich gefühlt so?
Freundschaft, soziales Netzwerk – unverzichtbar, keine Frage. Aber erstmal allein mit totaler Freude oder tiefer Traurigkeit … reicht das dann wirklich? Ich kenne einige Menschen, die als stolzer Solitär durchs Leben gehen, aber sie zahlen einen hohen Preis weil sie etwas wunderbares nicht haben: die Alltäglichkeit und die Selbstverständlichkeit des Teilens ohne Worte und der Unterstützung ohne Gegenleistung.
Schnatterinchen, der hohe Preis tut meist sehr... von Anne Mareike am 19. Mai 2014
Schnatterinchen, der hohe Preis tut meist sehr weh, aber wer sagt, dass man um jeden Preis zu zweit sein muss? Ich stimme Meike und Nele vollkommen zu.
Nur weil wir allein sind, sind wir noch lange keine “Restposten”, die um jeden Preis verramscht werden dürfen. Wir dürfen Ansprüche haben. Wir müssen uns nicht, nur um nicht allein zu sein, auf alle einlassen. Und nein, wir sind nicht egoistisch, weil wir angeblich keine Kompromissen eingehen. Es sieht meines Erachtens nur so aus, weil unsere verflixt eindimensionale Gesellschaft – und das spürt man spätestens, wenn man über 30 und Single ist – derartig familienfixiert ist. Überall: Familienzuschlag, Familienkarte, Familientag, Familientarif, Familienförderung….Wir machen andauernd Kompromisse: “Ne, natürlich, gar kein Problem. Das verstehe ich. Dann verschieben wir unseren Mädels-Abend. Ich hab ja meistens Zeit. Meld dich einfach, wenn es dir mal wieder passt. Ist ja auch nicht einfach, alles unter einen Hut zu bringen. Und natürlich darf eure Beziehung nicht darunter leidern und schon gar nicht die Kinder. Klar, wenn man Mutter ist, trägt man eben Verantwortung, da müssen Ausgehpläne halt mal zurück stehen….Wenn der Kleine dich heute braucht… Klar, wenn ihr euch nur heute sehen könnt und sonst so viel arbeitet. Die Beziehung geht natürlich vor. Gar kein Problem, wir können gern in ein familienfreundliches Nichtrauchercafé gehen. Ich sollte eh nicht so viel rauchen. Klar, die Kleine kann man keines Falls dem Passivrauchen aussetzen. Ach und tanzen können wir auch ein anderes Mal. Kaffee-Trinken ist auch schön. Natürlich willst du die Kleine noch nicht allein lassen. Ist ja auch schwer schon nach einen halben Jahr nach der Geburt. Verstehe ich total… Natürlich kann der Kleine mitkommen. Stört mich überhaupt nicht, wenn du ihn genau dann stilles musst, wenn ich dir von meinem letzten missglückten Date erzähle. Quatsch, lassen Sie die Kleinen ruhig quaken. Ich kann auch ein anderes Mal im Gottesdienst Ruhe finden… Natürlich mache ich Platz für Sie. Sie sind schließlich hochschwnager und ich habe nur einen 14-Stunden-Arbeitstag mit 4 Meetings hinter mir. Da brauche ich nicht zu sitzen. Mutter-Sein ist so ein wichtiger Beitrag zu unserer Gesellschaft…” – soll ich weiter machen? Ab 30, wenn viele ins große Familienglück starten, besonders im kirchlichen Milieu, besteht ein Single-Leben eigentlich nur noch aus Kompromissen, will man sich nicht komplett neue Freunde suchen müssen.
Ich sage nicht, dass es einfach ist, Freundschaft, Familie und Beziehung unter einen Hut zu bringen. Ich sage nicht, dass Muttis uns Papis nicht auch viele Kompromisse eingehen und Hürden in unserer Gesellschaft überwinden müssen. Ich sage nicht, dass ich nicht bereit bin mich als Freundin auf die logischerweise neue Situation – wenn Kinder geboren werden und Beziehungen richtig ernst werden – einzustellen. Ich sage nur: Ja, es gibt uns und wir sind nicht defizitär und wir sind nicht kompromissunfähig und wir sind nicht schwer vermittelbar und wir dürfen sagen, was wir brauchen und wollen, ohne gleich als arrogant oder familienunfreundlich abgestempelt zu werden.
Ach ja, in der Bibel gibt es auch viele Geschichten von Menschen, die allein und kompromisslos ihren Weg gehen. Eigentlich hauptsächlich. Kennt der Glaube Kompromisse?
“Zur Freiheit hat uns Christus befreit. So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen!” (Gal 5,1)