Singles waren der Bibel nicht bekannt. Alleinleben und Alleinlebende sind aber sehr wohl ein biblisches Thema – im Alten wie im Neuen Testament. Dennoch werden die meisten Figuren des Alten Testaments im familiären Kontext der Sippe und des Clans dargestellt.
Die Männer leben in Vielehe und die Frauen – bis auf wenige Ausnahmen – in Abhängigkeit von den Männern. Frauen ohne Männer und ohne Ehe stehen meist am Rande der Gesellschaft. Eine Gesellschaft, die patriarchal und hierarchisch aufgebaut ist. Jede Form der Beziehung und Partnerschaft, jedweder Lebensentwurf, sind zuerst dieser Ordnung unterworfen.
„Jesus trifft seine Entscheidung gegen die traditionelle, eigene Familie und für die neue Gemeinschaft.“
Einzig die Propheten scheinen hier eine Ausnahme zu bilden. Allerdings stehen sie oft mit ihrem Reden und Handeln sowieso eher außerhalb der geltenden gesellschaftlichen Normen. Über ihr Beziehungsleben und mögliche Partnerschaften erfahren wir nicht viel.
Im Neuen Testament sehen wir Johannes den Täufer, Paulus und selbstverständlich: Jesus. Sie alle waren Singles. Letzterer hat, wie manche vermuten, möglicherweise Maria Magdalena geliebt. Die offizielle Lesart gibt darüber aber keine Auskunft. Letztendlich hat Jesus sich nicht für ein Leben in einer Partnerschaft oder Familie, sondern für ein Leben in einer Gemeinschaft entschieden. Die besteht aus ihm und zunächst weiteren zwölf Männern und bald danach aus vielen weiteren Weggefährtinnen und Weggefährten. Sein Leben und das Leben der Gefährtinnen und Gefährten sind von Anfang an ganz in den Dienst der neuen Gemeinschaft gestellt. Jesus trifft seine Entscheidung gegen die traditionelle, eigene Familie und für die neue Gemeinschaft.
Selbst wenn das Beziehungsleben und die Partnerschaft zwischen Menschen nicht ausdrücklich thematisiert werden, so betrachtet die Bibel die Menschen aber stets in Beziehung zu anderen Menschen und zu Gott. So ist der Mensch von Anbeginn als Wesen geschaffen, das in Beziehung zu Gott und anderen Menschen lebt.
Singlesein in biblischer Zeit ist im Allgemeinen meist kein selbstgewählter Lebensentwurf. Allein lebend zu sein ist daher meist auch mit Alleinsein und beziehungslos zu anderen Menschen leben verbunden. Das ist heute anders.
Singles leben selbstverständlich in Beziehung mit anderen Menschen. Trotzdem müssen sie einiges aushalten. So beispielsweise die mehr oder weniger gutgemeinte Fürsorge aus dem Umfeld der Familie und des Freundeskreises frei nach dem Motto: Gut gemeint – ist aber noch lange nicht gut gemacht. Subkutan wird dabei das Gefühl geimpft, dass ein alleinlebender Mensch irgendwie doch nicht so richtig vollständig ist und dass diese Unvollständigkeit durch die Hilfe aufmerksamer Mitmenschen beendet werden sollte.
„Eines ist sicher: Singlesein ist ein gleichberechtigter Lebensentwurf neben anderen auch.“
Klar ist das Singleleben wahrhaftig nicht nur rosig und selbstbestimmt. Allein leben hat auch immer wieder mit Einsamkeit und Verlorenheit zu tun und der Angst davor, diese zu erleben. Davor schützt aber auch Partnerschaft nicht per se.
Eines ist sicher: Singlesein ist ein gleichberechtigter Lebensentwurf neben anderen auch. Schließlich gibt Gott den Menschen die Freiheit, selbst zu entscheiden, ob sie alleinleben wollen oder in Partnerschaften. Gleichzeitig sagt er ihnen zu, dass sie im Leben aber nicht allein oder verlassen sein sollen.
Pfarrer Gerd Kiefer ist Theologischer Vorsitzender der Männerarbeit der EKD.