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Beziehungsgeschichten im Jetzt...

Nimm den goldenen Ring von mir

Gepostet Von am 21. Februar 2014 in Wer in der Liebe lebt | Keine Kommentare

Nimm den goldenen Ring von mirFoto: zimt_stern/photocase.com

„Nimm den goldenen Ring von mir“, sang jahrzehntelang Drafi Deutscher. „Bist du traurig, dann sagt er dir: Marmor, Stein und Eisen bricht aber unsere Liebe nicht, alles, alles geht vorbei, doch wir sind uns treu.“ Marmor, Stein und Eisen bricht, aber unsere Liebe nicht – spiegelt die Sehnsucht vieler Menschen zu Beginn einer Ehe wider.

Eigentlich kann und will man es sich nicht anders vorstellen: wir wollen miteinander alt werden, wir wollen für immer miteinander leben. So können sich Menschen versprechen, beieinander zu bleiben, zueinander zu halten und zu stehen, sich zu achten und zu lieben, bis dass der Tod sie scheide.

„Gott, die Ewige, ermöglicht uns, Sehnsüchte und Träume zu leben, Hoffnung zu haben.“

Menschen am Anfang einer Ehe sind keine Traumtänzer_innen. Sie leben mit dieser Sehnsucht, weil sie von anderen Menschen erfahren haben, was Halt, Verlässlichkeit und Stabilität bedeuten. Oder weil sie gerade das schmerzlich vermisst haben und nun bewusst leben wollen. Menschen brauchen Geborgenheit. Geborgenheit, die wir Menschen geben können, ist ein Ausdruck des Urvertrauens. Ausdruck dafür, dass wir nicht allein sind, dass uns jemand hält, dass jemand bedingungslos „Ja“ zu uns sagt. Als Christin ist für mich diese Kraft Gott. Gott, die Ewige, ermöglicht uns, Sehnsüchte und Träume zu leben, Hoffnungen zu haben, obwohl wir unsere Grenzen kennen und immer wieder erleben.

Wir brauchen Sehnsucht und Träume, damit die gemeinsame Wegstrecke einer Ehe bewältigbar wird. Der erste Stein, an den wir stoßen, spätestens der erste quer auf dem Weg liegende Baum oder das nächste Steilstück holen uns in die Wirklichkeit und fordern mehr von uns als goldene Träume.

Reicht in solchen Fällen der Blick auf den Ring, das sichtbare Symbol der versprochenen Liebe?

Möglicherweise schon. Mir hat es bis heute immer wieder geholfen, mich in Krisenzeiten nicht nur an mein Versprechen zu erinnern, sondern ebenso daran, dass der Ring auch ein Zeichen, ein Symbol dafür ist, dass ich selbst eingebunden bin in eine Beziehung, die Gott zu mir hält. Mir hat geholfen, mir klar zu machen, dass ich selbst gehalten bin, dass ich sein darf, wie ich bin – mit meinen Stärken und mit meinen Fehlern. Das gibt mir die nötige Sicherheit, mich um Veränderung zu mühen. Das gibt mir auch die Möglichkeit, Fehler und Schwächen des anderen stehen zu lassen, auszuhalten und Stärken zu sehen und anzuerkennen, auch Veränderungen des anderen wahrzunehmen. Das gibt mir letztlich auch den Mut, auf eine gemeinsame Zukunft zu setzen, wenn gerade nichts mehr zu gehen scheint.

„Wie der Ring muss auch die Ehe poliert werden, damit der Goldglanz nicht erlischt.“

Denn nicht nur der Ring am Finger bekommt Kratzer und Kanten, trägt Spuren der gelebten Zeit. Wie der Ring selbst muss auch eine Ehe immer wieder nachgeformt werden. Wie der Ring muss sie poliert werden, damit der Goldglanz nicht erlischt. Die Kanten im Ring, sie stehen vielleicht für Verbiegungen, die uns nicht gut getan haben, die Kratzer für Verletzungen, die wir uns zugefügt haben, der matte Schein für Unachtsamkeit und Desinteresse. Vielleicht verweisen sie auch darauf, dass wir uns nicht miteinander weiterentwickelt haben und das Schweigen Raum greift, dass unsere Beziehung sich nicht mehr warm und gut anfühlt.

Nützt dann der Blick auf den goldenen Ring noch?

Vielleicht schon. Steht doch das Gold für den letztlich unschätzbaren Wert – für das ungemein Besondere einer Beziehung. Mit diesem Besonderen achtsam umzugehen, es zu schützen und, wenn nötig, nach Verletzungen auch wieder heil werden zu lassen, das heißt für mich, eine Ehe bewusst zu leben. Für mich bedeutet das auch, die Sehnsucht und die Träume des Beginns nicht aufzugeben, sie vielmehr in den ganz normalen Alltag hinein zu tragen. Das erfordert Kraft und Feinfühligkeit, es kostet Mühe und Geduld.

Entscheidend wichtig für mich ist daher auch nicht der Rechtscharakter einer Ehe, sondern das Versprechen, das sich zwei Menschen geben – eingebunden in den Segen der Ewigen.

Brunhilde Raiser war bis 2012 Vorsitzende der Evangelischen Frauen in Deutschland.

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