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Beruf oder Liebe?

Gepostet Von am 21. Februar 2014 in Beziehungsgeschichten | Keine Kommentare

Beruf oder Liebe?© privat/Männerarbeit der EKD

An Liebe war in jungen Jahren nicht zu denken. Wie fühlt sich ein Heranwachsender auf dem – sprichwörtlich – platten Land in Norddeutschland, wenn er gut mit Mädels auskommt und zugleich merkt, dass es aber nun mal die Jungs sind, die ihn sexuell anziehen?

Er braucht Zeit und langen Atem. Wie Hans-Jürgen. Er wartet, macht es nicht öffentlich. Es ist auch niemand da, mit dem er darüber sprechen könnte. Nicht in der Familie, nicht im Freundeskreis, auch nicht in der Gemeinde, in der er sich als Jugendlicher engagiert. Also geht er erst mal zur Bundeswehr. Die Liebe kommt viel später.

Als der junge Theologiestudent nämlich – heftig verliebt – erlebt, dass er nicht mehr ausgegrenzt wird. „Da waren Menschen, die mich unterstützt haben. Das sind wichtige Erfahrungen, die einen beflügeln.“ Sein Selbstbewusstsein wächst. Als er seine erste Pfarrstelle übernimmt, zieht mit ihm sein Partner ins Pfarrhaus. „Das war überhaupt kein großes Thema.“ Bis 1979.

Zwei Liebesbeziehungen zerbrechen, werden durch die äußeren Schwierigkeiten verschlissen.

Hans-Jürgen erklärt sich mit einem Kollegen solidarisch, der auch mit einem Mann zusammenlebt, deswegen aber angegriffen wird. Die Quittung lässt nicht lange auf sich warten: er wird zunächst beurlaubt, dann verliert der Theologe seine Pfarrstelle. Die Leitung seiner Landeskirche lässt es auf einen Prozess ankommen, denn die Lebensweise ihres Pfarrers scheint unvereinbar mit seinem Verkündigungsauftrag. Nach jahrelangen gerichtlichen Auseinandersetzungen erfolgt das Urteil: fünf Jahre Wartestand.

„Der Mann muss arbeiten dürfen!“, befand kurz nach ihrem Amtsantritt seine Landesbischöfin. Der Traum vom Gemeindepfarramt bleibt jedoch unerfüllt, Hans-Jürgen wird stattdessen Klinikseelsorger. Ehrenamtlich war er über die Jahre hinweg ohnehin ständig im selbst gewählten Dienst.

Zwei Liebesbeziehungen zerbrechen, werden durch die äußeren Schwierigkeiten verschlissen. Hans-Jürgen war bekannt, wurde öffentlich wahrgenommen. Für seine Partner waren diese Belastungen zu groß. Eine Feuerprobe ist das auch für seinen neuen Freund. Sie lernten sich 1992 auf einer Veranstaltung des Vereins Homosexuelle und Kirche kennen. Prompt erschien ein Bild im Spiegel, an der Seite Hans-Jürgens wurde er damit geoutet – auch vor seiner eigenen Familie. Doch: Bernd blieb.

Er blieb trotz jahrelanger Fernbeziehung. Bernd blieb auch, als Hans-Jürgen auf eine lange, schon vor dem Kennenlernen geplante Reise an die Westküste der USA ging. „Ich bin HIV-positiv“, offenbarte sich der Theologe. Bernd blieb.

„Wir streiten uns auch ganz kräftig, wenn es sein muss.“

15 Jahre trennen die Lebenspartner. Stadtmensch ist der Eine, der Andere, von Beruf und mit Leidenschaft Gärtner, liebt das Land. Hans-Jürgen reist sehr gerne, sein Freund fliegt nicht, ist häuslicher. Zahlreiche Ehrenämter des Seelsorgers lassen die gemeinsame Zeit schon mal knapp werden. „Wir streiten uns auch ganz kräftig, wenn es sein muss. Wir haben durchaus Meinungsverschiedenheiten, wir sind auch politisch auseinander.“ Genau genommen, betrachtet Hans-Jürgen aber gerade das als Bereicherung. Die Beziehung hat sich entwickelt, sie haben ihr Zeit dafür gegeben, von Anfang an und ganz bewusst. Das trägt bis heute. „Ich empfinde das als Stärke, dass man auch eigene Wege gehen kann, den anderen in seinem So-Sein belässt.“

„Grüß auch schönen Deinen Mann“

Ihren 20. Jahrestag feiern sie – auf dem Standesamt. Auch für die Absicherung, denn schließlich hat ihn Bernd beruflich unterstützt „wie eine klassische Pfarrfrau“. Vor allem aber, weil der Lebens- und Liebespartner so aus dem Hintergrund tritt, sichtbarer wird durch das öffentliche Bekenntnis. Nun heißt es nämlich: „Grüß auch schön deinen Mann!“ Hans-Jürgen ist selbst überrascht, welche Aufwertung da spürbar wird.

Dass er in seinem Leben dafür kämpfen würde, dass es für Homosexuelle einfacher wird, das wusste der heute 64-jährige Hans-Jürgen als junger Mann noch nicht. „Es gab keine Vorbilder damals.“ Heute gibt es sie. Hans-Jürgen ist einer von ihnen.

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